Vorbemerkung: Seit dem 1.11.2003 hat sich das KDV-Gesetz geändert! 

Daher haben wir das alte Material überarbeitet.

Hier eine Presseerklärung zum neuen Gesetz. von Dr. Ralf Cüppers

Hier der neue Gesetzestext und eine kurze Zusammenfassung.


Die Begründung

Das KDV-Gesetz verlangt, daß neben dem Lebenslauf eine “persönliche, ausführliche Darlegung der Beweggründe für die Gewissensentscheidung” vorgelegt wird. Diese Begründung muß gut vorbereitet sein.

Das Bundesamt schreibt zu den Anforderungen an eine persönliche, ausführliche Darlegung der Begründung folgendes: “Eine solche Darlegung erfordert, daß der wehrpflichtige Antragsteller nach bestem Können die Beweggründe für seine Gewissensentscheidung, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern, erläutert. Eine sinngemäße Wiederholung des eigendlichen Antragesgenügt nicht, ebensowenig eine lediglich formelhafte Darlegung oder eine solche, in der vorgefertigte Formulierungen oder Muster übernommen werden. Die Darlegung ist vom Antragsteller zu unterschreiben.”

Es empfiehlt sich, die Begründung in zwei Abschnitte zu unterteilen. Zunächst sollte die persönliche Entwicklungsgeschichte bis zur Entscheidung gegen den Kriegsdienst geschildert werden. Danach die inhaltlichen Beweggründe. Selbstverständlich ist jeder einzelne im Aufbau und in der Gliederung seiner Begründung frei und an keine Vorgaben gebunden.

a) Entwicklungsgeschichte

Hier kann man darstellen, welche Faktoren, Denkanstöße und Umweltbedingungen zur Kriegsdienstverweigerung geführt und beigetragen haben. Am besten fragt man sich selbst zurückblickend nach den Gründen und Ursachen. Gerade dabei kommen die sog. “persönlichen Beweggründe”, die geschildert werden sollen, zur Geltung.

Ausschlaggebend sind nicht nur die Erfahrungen, die direkt das Thema Kriegsdienst oder Kriegsdienstverweigerung betreffen. Maßgeblich sind auch Erziehungseinflüsse, Kontakte zu bestimmten Gruppen oder Einzelpersonen, die jemanden geprägt haben.

Dennoch muß man streng im Auge behalten, daß es hier um Schilderungen geht, die den Hintergrund einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst ausmachen. Ein Beispiel:

Nicht selten ist es so, daß ein Kriegsdienstverweigerer zunächst auf die Erziehung verweist, die er im Elternhaus genossen hat. So schreibt er beispielsweise:

“Ich bin in einem Elternhaus zusammen mit vier Geschwistern groß geworden. Wir wurden christlich erzogen. Die christliche Erziehung war für meine Kriegsdienstverweigerung von besonderer Bedeutung.”

Das allein genügt nicht. Eine solche Erklärung ist weder ausführlich noch ist die Verknüpfung von christlicher Erziehung und Kriegsdienstverweigerung selbstverständlich oder gar zwangsläufig. Wenn man eine christliche oder gar pazifistische Erziehung für maßgeblich hält, dann muß man auch ganz konkret die Besonderheiten, Gedanken und Inhalte dieser Erziehung schildern bzw. die eigenen Erfahrungen und Schlußfolgerungen.

Häufig wird der eine oder andere auch Gespräche mit bestimmten Personen (z.B. Lehrern, Pfarrern, Familienangehörigen usw.) erwähnen. Wenn er der Meinung ist, daß bestimmte Kontakte und Gespräche wesentlich für die Kriegsdienstverweigerung waren, dann sollte auch kurz dargestellt werden, um welche Themen sich diese Gespräche bewegten und welche Eindrücke sie hinterlassen haben. Hinzukommen sollte auch eine Schilderung, wie man sich daraufhin selbst eine Meinung gebildet hat.

Das gleiche gilt, wenn man auf Literatur, Filme oder Veranstaltungen hinweist, die besondere Denkanstöße gegeben haben. Man sollte nicht nur Titel nennen und im übrigen den Inhalt oder die persönlichen Schlußfolgerungen als bekannt veraussetzen. Besser ist es, die wesentlichen Kernaussagen und die eigenen Schlußfolgerungen kurz zusammenzufassen.

In den seltensten Fällen wird es so sein, daß ein Kriegsdienstverweigerer ein besonderes “Schlüsselerlebnis” hatte und plötzlich wußte: Ich muß den Kriegsdienst verweigern. Es ist auch nicht erforderlich, ein solches – ungewöhnliches – Schlüßelerlebnis aufzuweisen.

Selbstverständlich soll derjenige, der entsprechende Schlüsselerlebnisse hatte, darüber ausführlich schreiben. Man hüte sich jedoch vor Belanglosigkeiten und bausche nicht künstlich irgendwelche kleinen Erlebnisse auf. So ist beispielsweise die schon mehr als zehn Jahre zurückliegende Schlägerei auf dem Schulhof, an der man teilgenommen hat oder sich geweigert hat, teilzunehmen, oft eher bedeutungslos.

Meistens gibt es verschiedene Phasen in der Entwicklungsgeschichte einer KDV-Entscheidung. Die Entwicklung wird am Ende immer konkreter, bis der Entschluß feststeht. Man sollte diese Phasen auch altersmäßig einordnen.

Die Entwicklung zur Kriegsdienstverweigerung muß keineswegs widerspruchslos und praktisch schon in der Wiege angelegt sein. Es kann durchaus sein. daß die eigendlichen Denkanstöße recht spät kamen und man vorher sogar dem Militär unkritisch auch positiv gegenüberstand. Wichtig ist dann das “Umdenken” überzeugend darzulegen.

Von besonderer Bedeutung ist der Zeitpunkt der Antragstellung. Er muß nicht immer mit dem Zeitpunkt, an dem der Entschluß zur Kriegsdienstverweigerung feststeht, zusammenfallen.

Falls man den Antrag beispielsweise erst im Alter von 22 Jahren oder später stellt, ist es nicht ratsam, vorzutragen, man habe den unumstößlichen Entschluß zur Kriegsdienstverweigerung bereits mit 17 Jahren getroffen. Daraus könnte der Schluß gezogen werden: Wenn es dem Antragsteller wirklich so ernst und wichtig ist, hätte er den Antrag viel früher gestellt.

Auch ist denkbar, daß das Bundesamt Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Tatsachenbehauptung (verbindliche Entscheidung zur Kriegsdienstverweigerung mit 17 Jahren) annimmt, weil der Antrag erst Jahre später gestellt wurde.

Solche äußerlichen, scheinbaren Unstimmigkeiten sollte man entweder vermeiden oder plausibel begründen.

Selbstverständlich ist, daß man bestimmte negative Tatsachen, die den entscheidenden Behörden bekannt sein müßten, nicht stillschweigend übergeht, sondern offensiv aufgreift. Hat man sich beispielsweise zu einem früheren Zeitpunkt um eine vorzeitig Einberufung bemüht oder sich gar für eine mehrjährige, freiwillige Dienstzeit bei der Bundeswehr beworben, so ist es schädlich, diesen Umstand stillschweigend zu übergehen. Dies gilt auch für ausdrückliche Verwendungswünsche, die man womöglich schriftlich geäußert hat oder die anderweitig festgehalten worden sind. Statt zu überspielen oder zu verdrängen, was nicht zu verheimlichen ist, muß man diese Vorkommnisse in seine Entwicklungsgeschichte einordnen und erläutern. Man muß sich dazu bekennen, zu diesem Zeitpunkt eben keine verbindliche Gewissensentscheidung getroffen zu haben, noch nicht so weit gewesen zu sein und erst im Nachhinein die unverrückbare Entscheidung gegen den Kriegsdienst getroffen zu haben.

Mancher Kriegsdienstverweigerer fragt sich, ob er evtl. auf Vorstrafen eingehen soll (Verkehrsunfall = fahrlässige Körperverletzung; Hausbesetzung und gewaltfreier Widerstand = Hausfriedensbruch oder Nötigung …). Schließlich wird das polizeiliche Führungszeugnis überreicht. Ein solches Eingehen empfiehlt sich nur, wenn eine Vorstrafe auch in das Führungszeugnis eingetragen ist, damit man keine “schlafenden Hunde” weckt. Es werden mach dem Bundeszentralregistergesetz (§ 30 BZRG) in ein Führungszeugnis nicht eingetragen: Zuchtmittel und Erziehungsmaßregeln nach dem Jugendstrafrecht, Jugendstrafen unter zwei Jahren bei Bewährung, Geldstrafen unter 90 Tagessätzen und Freiheitstrafen oder Strafarrest unter drei Monaten, falls keine weitere Strafe im Führungszeugnis eingetragen ist. Im übrigen gibt es Löschungsfristen im Registergesetz. Ein Blick in das Führungszeugnis gibt Aufschluß.

b) Die inhaltlichen Gründe

Im zweiten Teil der Begründung erläutert man inhaltlich seine moralischen, ethischen und sonstigen Wertvorstellungen, die zur Kriegsdienstverweigerung zwingen. Hier muß man sich von der Entwicklungsgeschichte und dem Lebenslauf lösen und aktuell inhaltliche Motive und Wertgrundlagen darstellen. Sicherlich ist das das schwierigste Kapitel.

Zunächst ist es ratsam zu erklären, daß man eine Gewissensentscheidung getroffen hat. Das Gewissen ist die innere Instanz, geprägt durch die eigene Entwicklungsgeschichte, in der sich die persönlichen Wertvorstellungen und moralischen Maßstäbe verdichtet haben. Das Gewissen, das zwischen Gut und Böse unterscheidet. Das Gewissen, das eine Handlungsanweisung gibt, mit anderen Worten, das Gewissen, an das man sich strikt halten muß.

Weiter wäre zu beachten, daß es um das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung geht. Es gibt kein Grundrecht auf “Grundwehrdienstverweigerung”. Es ist mit anderen Worten wenig förderlich, wenn man sich allzusehr mit der Bundeswehr im besonderen (Unmenschlichkeiten, Sinnlosigkeiten und dgl.) auseinandersetzt. Im Kern geht es darum, daß man sich an bewaffneten, kriegerischen Auseinandersetzungen nicht beteiligen kann, daß man in Gewissensnot gerät, würde man gezwungen, im Kriegsfall menschliches Leben zu vernichten.

Vor diesem Hintergrund gilt es, die moralischen und sittlichen Maßstäbe darzustellen, die eine Beteiligung am Kriegsdienst unmöglich machen.

Da ist zunächst die Frage nach dem Wert und der Bedeutung des menschlichen Lebens. Wenig originell ist der Satz “Das menschliche Leben ist das höchste Gut”, weil der Satz allzu oft gebraucht wurde und abgegriffen ist. Dennoch ist diese Aussage inhaltlich durchaus richtig. Man versuche also, diese Kernaussage mit eigenen Worten ausführlicher darzustellen.

Der Wert des menschlichen Lebens wird in Relation zu anderen Werten – Freiheit, kulturelle Werte – gebracht. Diejenigen, die einer militärischen Verteidigung das Wort reden, setzen derartige Werte zwangsläufig über das menschliche Leben. Der Kriegsdienstverweigerer sollte darstellen, daß er in seiner Wertordnung dem menschlichen Leben andere Werte unterordnet und aus welchen Gründen.

Hilfsmittel, um diese recht theoretischen Fragen erörtern zu können, sind folgende:
Man kann über Gespräche mit Menschen berichten, die aus Überzeugung militärische Verteidigung befürworten. Man deutet an, welche Argumente diese ins Feld geführt haben. Im Gegenzug stellt man seinen eigenen Standpunkt dar. Ein anderes Hilfsmittel kann sein, daß man eine Berufswahl (Lehrer, Mediziner, Krankenpfleger, Sozialarbeiter usw.) oder ein soziales, politisches Engagement zum Thema macht. Man kann die Motive, die eine bestimmte Berufswahl bestimmen, praktisch erörtern. Es wird deutlich, welche Einstellung man zum Leben, zum menschlichen Zusammenleben allgemein entwickelt hat. Hierzu steht dann möglicherweise der Kriegsdienst, das Handwerk des Soldaten, dessen Aufgabe es ist,im Krieg den Feind zu vernichten, im krassen Gegensatz.

Ein weiteres Hilfsmittel ist, eigene Gedanken über die Bedeutung und Konsequenzen des Todes darzustellen. Man kann erörtern, daß man sich versucht vorzustellen, welche persönlichen Konsequenzen es haben würde, wenn man Kriegsdienst leisten und auch Menschen töten müßte.

Die Rechtssprechung sagt in diesem Zusammenhang, daß derjenige eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst getroffen hat, der – zum Kriegsdienst gezwungen – innerlich zerbrechen oder schweren seelischen Schaden nehmen würde. Ohne diese Begriffe als solche zu übernehmen, ist es ratsam, Ausführungen in dieser Richtung zu machen.

An dieser Stelle soll auch vor einigen Fehlern im Sinne der Rechtsprechung gewarnt werden, die leider häufig anzutreffen sind, und die zur Ablehnung führen oder beitragen können.

  • Ungeschickt ist es, die Vorzüge des Zivildienstes gegenüber dem Wehrdienst zu preisen, etwa in dem Sinne, daß man allzusehr darauf pocht, wie sinnvoll doch der Zivildienst gegenüber dem Wehrdienst ist. Hier könnte der Vorwurf gemacht werden, der Kriegsdienstverweigerer würde fälschlich meinen, es gäbe ein Wahlrecht zwischen Wehrdienst und Zivildienst.
  • Ausgeschlossen ist die Anerkennung, wenn man keine grundsätzliche, sondern eine sogen. “situationsbedingte Kriegsdienstverweigerung” vorträgt. So etwa, wenn man eine Beteiligung am Kriegsdienst in Mitteleuropa ablehnt, jedoch an militärischen Aktivitäten von Befreiungsbewegungen teilnehmen würde.
  • Mißverständlich sind Formulierungen wie die, daß man sich bestimmte Situationen “nicht vorstellen kann” , etwa indem man sagt:
    Ich kann es mir nicht vorstellen, wie es ist, wenn ich wirklich Kriegsdienst leisten müßte oder wenn ich einen Menschen getötet hätte. Natürlich kann sich das niemand in Wirklichkeit konkret vorstellen. Diese Formulierung ist deshalb gefährlich, weil dann unterstellt wird, man hätte sich keine Vorstellungen gemacht und wisse letztlich auch nicht, worum es gehe, behaupte jedoch gleichwohl, eine Gewissensentscheidung getroffen zu haben.
  • Zu Schwierigkeiten kann es kommen, wenn allzuviel Toleranz gegenüber anderen, die Waffengewalt zwischen den Staaten befürworten, geübt wird oder gar ein inkonsequenter Standpunkt bezogen wird. Wer meint, sich Sympathien verschaffen zu können, indem er sogar die Notwendigkeit militärischer Verteidigung durch die Bundeswehr oder die NATO bejaht, nur für sich selbst sagt, er könne eben keine Menschen töten, wirkt wenig überzeugend.
  • Abträglich ist es, die Kriegsdienstverweigerung dadurch zu begründen, daß man auf die Gefährlichkeit bestimmter Waffen abstellt. Eine Kriegsdienstverweigerung, allein gegen Atomraketen oder einen Atomkrieg, würde nicht anerkannt. Es muß eine grundsätzliche Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst sein, die selbst dann noch gilt, wenn es bestimmte Kriegsformen oder bestimmte Waffen nicht gibt.

Soweit einige Beispiele. Im übrigen sollten nicht Standardthemen aus der althergebrachten mündlichen Verhandlungen in der schriftlichen Begründung behandelt werden. Man erspare sich, bestimmte Notwehr- oder Nothilfesituationen in der schriftlichen Begründung zu erörtern. Themen wie “Tyrannenmord, Amogläufer, Freundin im Park, Warschauer Ghetto” usw. sollte man aus der schriftlichen Begründung ausklammern. Es wäre schlimm, wenn die ganze Palette der Fragen, die letzlich die Inquisition des Gewissens im früheren mündlichen Prüfungsverfahren ausmachten, jetzt vom Kriegsdienstverweigerer selbst in das schriftliche Verfahren übertragen würden.

Man kann nicht starr vorgeben, wie umfangreich die “ausführliche” Darlegung der Beweggründe der Gewissensentscheidung sein muß. Bestimmte Mindestvorgaben an den Umfang gibt es nicht.

Man kann davon ausgehen, daß das Bundesamt die Ausführlichkeit auch an den Bildungsstand knüpft. So ist es in der Praxis durchaus möglich, daß ein Sonderschüler mit einer Seite Begründung anerkannt wird und daß einem Abiturienten, der nur 2 Seiten abliefert, vorgeworfen wird, die Begründung sei nicht ausführlich oder persönlich genug. Er müsse ergänzen. Im Zweifel sollte man sich also etwas mehr Mühe geben und lieber zuviel als zuwenig schreiben.

Selbstverständlich gibt es auch keine Vorgaben dahingehend, ob die Begründung und der Lebenslauf nun mit Maschinenschrift oder handschriftlich verfaßt sein müssen. Auch hier ist jedermann völlig frei. Eine gut leserliche Handschrift wirkt allemal “persönlicher” als Maschinenschrift. Das gilt womöglich sogar für Rechtschreibfehler und fehlerhaftes Deutsch. Wer sich also mit Maschinenschrift schwer tut, sollte handschriftlich begründen. Es besteht keinerlei Grund, sich wegen Rechtschreibschwächen zu ängstigen.

Mit der fertiggestellten Begründung könnt ihr die nächste DFG-VK Beratungsstelle aufsuchen. Wir sprechen die Begründung gern mit euch durch und helfen auch bei weiteren Fragen.

Viel Erfolg !