Klimakiller Militär und Krieg

Rüstungsindustrie und Militär sind Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen

Von Ralf Cüppers

Jeder Mensch ist ein Klimasünder.
Wir atmen auch dann klimaschädliches Gas aus, wenn wir keine Kriege führen. Mit jedem Atemzug atmen wir etwa 0,03 Gramm Kohlen(stoff)dioxid (CO2) aus. CO2 trägt zum Treibhauseffekt und zur Erderwärmung bei und gefährdet unser Überleben als Menschheit. Wir Menschen verwenden unsere Nahrungsenergie zu denselben Zwecken wie unsere fossilen Brennstoffe: als „Heizöl“ zum Warmhalten unseres Körpers und als „Dieselkraftstoff“ zur Fortbewegung und zur Arbeitsleistung. Heizöl und Diesel sind chemisch derselbe Stoff.Die Energie, die wir benötigen, um unseren Körper auf der „Betriebstemperatur“ 37 Grad Celsius zu halten, nennen wir Grundumsatz, die zur Fortbewegung und Arbeit Leistungsumsatz. Wie viel verbrauchen wir davon?

Kohlendioxidausstoß durch Menschenleben.
Grundumsatz: Eine Kilokalorie (kcal) Energie brauchen wir, um einen Liter Wasser um 1 °C zu erwärmen. Der menschliche Körper kühlt in der Umgebungstemperatur in angemessener Bekleidung um etwa 1 °C pro Stunde aus. Folglich verbrauchen wir etwa 1 Kilokalorie an Energie pro Kilogramm unseres Körpergewichtes (kg KG) pro Stunde, um unseren Körper auf 37 °C warm zu erhalten, manche rechnen auch 25 kcal pro kg KG am Tag. Ein 80 kg schwerer Mensch hat demnach einen Grundumsatz von 2 000 kcal, ein 60 kg schwerer nur 1 500 kcal. Ein Mensch, der nur schläft, liegt oder sitzt, etwa im Fernsehsessel, vor dem Computer oder im Büro, verbraucht kaum mehr als seinen Grundumsatz. Leistungsumsatz: Um seinen Körper einen Kilometer weit zu Fuß fortzubewegen, verbraucht der Mensch zusätzlich etwa 1 kcal pro kg KG und zurückgelegtem Kilometer. Wenn der 80 kg schwere Mensch also langsam mit 3 km/h spazieren geht, hat er einen Leistungsumsatz von 240 kcal pro Stunde, wenn er mit 6 km/h wandert oder walkt sind es 480 kcal pro Stunde, wenn er mit 12,5 km/h rennt, verbraucht er 1000 kcal pro Stunde zusätzlich. Ein gleichschneller Läufer, der nur 60 kg wiegt, käme mit 750 kcal aus.Und was bedeutet dieses für unsere persönliche CO2-Bilanz? Unsere Nahrung besteht hauptsächlich aus Nahrungsfetten und Kohlenhydraten (und dann Eiweißen), diese wiederum aus den Atomen Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O). Kohlenstoff hat (in ganzen Zahlen) die molare Masse 12, Wasserstoff 1 und Sauerstoff 16. Wasserstoff 1 können wir weglassen, denn er fällt im Verhältnis von 12 für C und 16 für O pro Atom mengenmäßig kaum ins Gewicht. Unsere Nahrungskohlenhydrate bestehen aus Ketten von Zuckermolekülen mit der Summenformel C6 H12 O6, Fette aus langen und mittellangen Kohlenstoffketten mit jeweils etwa doppelt so vielen Wasserstoffatomen und am Glycerinende noch ein wenig Sauerstoff. Kohlenhydrate und Eiweiße bestehen nur zu Hälfte des Gewichtes aus Kohlenstoff. Fette (ebenso wie Heizöl oder Diesel) bestehen hingegen gewichtsmäßig fast vollständig aus Kohlenstoff. Deshalb ist der Brennwert von Fetten auch höher.Aus 12 g Kohlenstoff entstehen 44 g Kohlendioxid (12 + 2 × 16). Aus 12 g Fett entstehen (fast) 44 g Kohlendioxid. Aus 28 g Kohlenhydraten (12+16) entstehen ebenfalls (fast) 44 g Kohlendioxid. Aus 1 g Fett entstehen bei der Verbrennung (in ganzen Zahlen) 9 kcal. Aus 1 g Kohlenhydraten entstehen bei der Verbrennung (in ganzen Zahlen) 4 kcal.Wie kann der Energieverbrauch auf den Kohlendioxidausstoß eines Menschen umgerechnet werden? Er muss entweder durch 12 × 9 = 108 geteilt oder durch 28 × 4 = 112, also im Mittel durch 110, dann das Ergebnis mit 44 multipliziert werden, und so ergibt das den Umrechnungsfaktor 0,4Ein 60 kg Mensch mit einem Grundumsatz von 1 500 kcal atmet jeden Tag 600 g CO2 aus.Ein Sammler, Jäger, Angler, Hirte oder (Garten-)Bauer, der seinen Boden nur in Handarbeit (ohne Energieverbrauch durch Maschinen) bestellt, erzeugt aus einer Nahrungskalorie Leistungsumsatz etwa 10 Kalorien neue Nahrung. Eine Stunde körperliche Arbeit pro Tag in der Intensität eines Spazierganges, so wenig reicht zum Überleben. So hat die Menschheit über viele Jahrhunderte überlebt und das ist in vielen „primitiven“ Gesellschaften heute noch so.Wenn dieser 60 kg Mensch noch 210 kcal Leistungsumsatz zusätzlich zu seinem 1 500 kcal Grundumsatz hat, also 1 710 kcal verbraucht und damit 684 g CO2 pro Tag ausatmet, produziert er in 100 Jahren (36 524 Tagen) fast 25 000 kg Kohlendioxid.Der CO2-Verbrauch eines Menschen im Vergleich zum Kriegsflugzeug „Tornado“: Der „Tornado“ hat einen Verbrauch von 25 000 kg CO2 pro Flugstunde. In einer Stunde produziert das Kriegsflugzeug so viel Kohlendioxid wie ein Mensch, der 100 Jahre lebt.

„Klimaneutral Krieg führen.“
Um den Kohlendioxidausstoß durch eine Stunde „Tornado“-Flug zu kompensieren, müssten durch den Einsatz 100 Menschenlebensjahre vernichtet werden. Deutsche „Tornados“ nahmen am 19. März 2017 die Bilder einer Schule in der syrischen Ortschaft Al-Mansura auf, die danach zerbombt wurde. Etwa 30 Schulkinder und Lehrerinnen starben dabei. Wenn diese Zivilisten jeweils noch 50 Jahre länger gelebt hätten, hätten sie ebenso viel Kohlendioxid ausgeatmet, wie drei „Tornados“ in fünfstündigem Einsatzflug. Somit kann dieser Einsatz annähernd klimaneutral gewesen sein. Klimaschädliches Militär. Krieg, Militär und Rüstungsindustrie sind Hauptverursacher von Treibhausga-semissionen, Feinstaubbelastungen und Umweltkatastrophen weltweit. Im Kyoto-Protokoll und den anderen UN-Klimadokumenten einschließlich der Charta von Paris wurden diese von den Regierungen, auf Druck der Nato-Staaten, allerdings absichtlich ausgeklammert und in Statistiken nicht extra ausgewiesen. Treibhausgase von Militärflugzeugen und -fahrzeugen werden dem Verkehr zugerechnet. Treibhausgase, die aus der Kriegswaffenproduktion kommen, werden der Industrie zugeschrieben. Staatliche Militärapparate gehören zu den größten Verbrauchern von Energie und anderen Ressourcen. Die Armeen verursachen enorme Mengen an klimaschädlichen Emissionen: bei der Produktion, dem Handel, Export und Transport von Waffen, bei Manövern und vor allem durch Kriegseinsätze selbst und bei den Besatzungen. Britische Forscher untersuchten die Umweltbilanz der US-Streitkräfte. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass diese, wenn sie ein Nationalstaat wären, Rang 47 belegen würden. Und zwar noch vor Staaten wie etwa Portugal oder Dänemark. Diese Studie berechnete allerdings nur den Treibstoffverbrauch des Militärs. Und der ist gar nicht so außergewöhnlich hoch. Denn die Wirtschaftsleistung Dänemarks ist etwa 3, die von Portugal kleiner als 2 Prozent von der der USA. Wenn denn nun die USA mehr als 2 Prozent der Wirtschaftsleistung für Militär ausgeben, dann ist der Treibstoffverbrauch – und damit die CO2-Emissionen – des amerikanischen Militärs gemessen an dem Anteil der Wirtschaftsleistung etwa proportional. Die Zahlen der Bundeswehr habe ich nicht gefunden. Meine Bitte an den klimapolitischen Sprecher der Linkspartei, Lorenz Gösta Beutin, hier konkret nachzufragen, ist bislang unbeantwortet.

 

 

CO2-Bilanz von Explosivstoffen.
10 000 000 kg Feuerwerk werden an Silvester verschossen. Silvesterböller bestehen ausschließlich aus Schwarzpulver, anderer Sprengstoff ist dafür nicht zugelassen. Schwarzpulver besteht aus 15 % Kohlenstoff, 10 % Schwefel und 75 % Salpeter, bei der Explosion werden aus 16 C + 4 S + 10 KNO3 => 15 CO + K2CO3 + 4 K2SO3 + 5 N2, die 15 CO werden mit Luftsauerstoff weiter zu CO2 oxidiert. Aus 10 000 000 kg Schwarzpulver entstehen demnach knapp 5 000 000 kg Kohlendioxid. Militärischer Sprengstoff ist zum Beispiel Trinitrotoluol TNT mit der Summenformel C7 H5 N3 O6 und demnach einer molarer Masse von 227. Nun werden bei der Sprengung nicht alle C-Atome zu CO2. Eines davon verbindet sich mit H4 zu Methan CH4, ein weiteres mit H und N zu Cyanwasserstoff HCN, bleiben fünf übrig, die zu CO und letztlich zu CO2 oxidieren. Fünfmal 44 sind 220, damit ist das Gewicht des CO2 etwa gleich hoch wie das des TNT. Auch die anderen militärisch hochbrisanten Sprengstoffe enthalten Kohlenstoff und Nitrogruppen in stöchiometrisch passender Menge. Auch dort kann man das Gewicht des eingesetzten Sprengstoffes und das des entstehenden CO2 in etwa gleichsetzen. Militärische Sprengstoffe haben eine Dichte von im Mittel etwa 1,7 g/cm3 (je nach Stoff 1,49 bis 1,98). Über die Verbrauchszahlen militärischen Sprengstoffes in der Bundeswehr gibt es keine vollständigen und zugänglichen Informationen. Im April gab das Unternehmen Rheinmetall Defence bekannt, dass es die Bundeswehr mit insgesamt 43 438 Geschossen des Typs „DM121“ beliefert. Sie kosten 146 Millionen Euro, also etwa 3 360 Euro pro Stück. Von 2009 bis 2019 wurden 30 000 Geschosse verbraucht, deshalb die Neubeschaffung. Ein Geschoß DM121 hat ein Kaliber von 155 mm, und aus dem entsprechenden Durchmesser und der Höhe kann ein Volumen von etwa 10 Liter errechnet werden (ohne die gehärtete Spitze und den Metallmantel), also etwa 17 kg Sprengstoff. Die 30 000 Geschosse dieser einen Munitionsart verursachten 500 000 kg CO2, die 43 000 neu bestellten werden dann weitere 730 000 kg CO2 erzeugen. Auf Wikipedia ist eine Liste veröffentlicht mit 190 unterschiedlichen Munitionstypen, die von der Bundeswehr verwendet werden, die DM121 ist nur eine davon. Aber ein einziger Fehlschuss im Emsland verursachte einen Moorbrand. Dadurch wurde mehr CO2 freigesetzt, als durch alle steuerfinanzierten CO2-Einsparmaßnahmen im selben Jahr vermieden werden konnten.

CO2-Bilanz kriegsbedingter Zerstörungen.
Wie beim Moorbrand im Emsland verursacht der Einsatz militärischer Sprengstoffe ebenfalls Brände. Häuser gehen in Flammen auf, auch Erdölförderanlagen und -raffinerien, Warenlager, chemische Fabriken usw., wodurch natürlich auch CO2 freigesetzt wird. Größeres Gewicht als die militärischen Sprengungen hat aber der Wiederaufbau. Dafür braucht man Zement. Dieser ist ein Klimakiller, denn bei seiner Herstellung wird CO2 freigesetzt. Heidelbergcement steht an zweiter Stelle der klimaschädlichen Betriebe zwischen den größten Energiekonzernen Eon und RWE.Bei der Zementproduktion wird Calciumcarbonat CaCO3 bei 1 450 °C zu gebranntem Kalk, Calciumoxid (CaO) und CO2 wird freigesetzt. In molaren Massen heißt dies: Calciumcarbonat 40 + 12 + 3 × 16 = 100, Calciumoxid 40 + 16 = 56, Kohlendioxid 12 + 2 × 16 = 44.Auf 56 kg Zement kämen demnach 44 kg Kohlendioxid, aber das wäre falsch. Denn handelsüblicher Zement besteht nur zu etwa 60 bis 66 Prozent aus gebranntem Kalk, hinzu kommen Silizium-, Aluminium- und Eisenoxide, für wasserundurchlässige Betone noch Trass, Puzzolan oder Flugasche. Deswegen setzt die Herstellung von Zement nur etwa die Hälfte seines Gewichtes an CO2 frei. Aber diese Masse muss auf über 1 450 °C erhitzt werden, und dafür braucht man auch wieder Energie. Und wenn denn nun diese Energie durch Verbrennung fossiler Energieträger erzeugt wird, dann entsteht durch die Verbrennung noch einmal fast so viel CO2 wie durch die Freisetzung aus dem Calciumcarbonat. Gesamtbilanz der Zementproduktion: Masse und Gewicht des freigesetzten CO2 entsprechen in etwa der Masse und Gewicht von Zement. Wenn Zement unter Wasserzusatz im Beton abbindet, entsteht gelöschter Kalk, Calciumhydroxid: CaO + H2O => Ca(OH)2An der Oberfläche verwittert Beton: Ca(OH)2 + CO2 => CaCO3 + H2O. Dieser kohlendioxidbindende Effekt tritt jedoch nur an der Oberfläche auf, wo der Beton mit dem CO2 aus der Atmosphäre in Kontakt kommt, nicht im Inneren eines Betonkörpers, außerdem ist dieses ein sehr langsamer Effekt. Der Temperaturanstieg auf unserer Erde ist schneller.

Zement für den Wiederaufbau
am Beispiel der syrischen Stadt Aleppo. Für Aleppo gibt es veröffentlichte Daten über die Zerstörungen. Die Stadt hat mit Vororten 2,5 Millionen Einwohner. Durch die Bombardierungen haben etwa 1 Million Einwohner ihr Zuhause verloren. Es handelt sich in Aleppo um etwa 1 Million Räume, die wieder aufgebaut werden müssen. In einigen Wohnungen wohnen mehr als eine Person in einem Raum, dafür verfügen andere neben ihrem Wohnraum noch über Büro- oder Werkstatt- und Geschäftsräume. Für ein Zimmer von 20 Quadratmeter umbauter Raum werden etwa 3 000 kg Zement benötigt. Für 1 Million umbaute Räume wären es 3 Milliarden Kilogramm Zement, und ebenso viel Kilogramm CO2 entweicht in die AtmosphäreNun wurden nicht nur Gebäude zerstört, sondern auch Straßen, Brücken und Plätze. Auch diese müssen wieder aufgebaut werden. Aleppo hat bei 2,5 Millionen Einwohnern eine Grundfläche von 190 km2. Wie viel davon ist die Fläche von Straßen «und Plätzen? Für Aleppo ist es nicht veröffentlicht, aber München hat 1,47 Millionen Einwohner auf 310 km2, davon 48 % versiegelte Fläche und davon 36 % bebaute Fläche, bleiben also 12 % für Straßen und Plätze. Im dreimal so dicht besiedelten Aleppo ist der Anteil versiegelter Fläche keinesfalls geringer. Für die Herstellung einer Straße benötigt man einen Unterbeton von 15 bis 20 cm Dicke, darüber eine Deckschicht von 22 bis 24 cm. Bei einer Autobahn oder einer für Schwerlastverkehr geeignete Straße ist der Unterbeton 20 bis 25 cm und die Deckschicht 26 bis 30 cm dick. Für einen Kubikmeter Unterbeton werden 300 kg Zement benötigt, für die Deckschicht im Mischungsverhältnis 1:3 sind es 550 kg.Wenn denn nun auch, wie bei den Gebäuden in Aleppo, mindestens ein Drittel der Straßen und Plätze zerbombt wurde, dann sind es über 7 500 000 m2 Straßenfläche, die neu hergestellt werden müssen; also werden bei einer mittleren Dicke von 0,2 m für den Unterbeton 1 500 000 × 300 = 450 000 000 kg Zement und für die 0,25 m dicke Deckschicht 1 875 000 × 550 = 1 031 250 000 kg Zement benötigt. Zusammen ergibt dies fast 1 500 000 000 kg, und ebenso viel Kilogramm CO2 gelangen in die Atmosphäre. Dieses ist bescheiden gerechnet, denn für einen Quadratmeter einer Brücke oder Überführung oder eines Straßentunnels reicht die Menge sicher nicht aus. Außerdem fehlt hier die Energie der Verbrennungsmotoren der Betonmisch- und Baumaschinen. Der Wiederaufbau von Aleppo verursacht allein durch die Zementproduktion eine Klimabelastung von 4 500 000 000 kg CO2, das ist mehr, als alle 2,5 Millionen Einwohner der Stadt Aleppo in sieben Jahren an CO2ausstoßen – oder 900 Jahre Silvesterfeuerwerk von über 82 Millionen Deutschen.

Ralf Cüppers ist aktiv im DFG-VK-Landesverband Hamburg/Schleswig-Holstein.