Am Samstag, den 30. März 2024, versammelten sich gut 200 Teilnehmer auf dem Marktplatz zur Auftaktveranstaltung.
Danach folgte ein Demostrationzug durch die Innenstadt mit zwei Zwischenkundgebungen und Reden. Am Ende erreichte der Demostrationzug wieder den Marktplatz. Detlef Mielcke rollte einen Patronenteppich auf dem Marktplatz und verteilte darauf weiße Kreuze, die die Toten Soldaten symbolisieren sollten:
Hier ist seine Rede im Wortlaut:
Die Sprache des Krieges
Wir verurteilen den Überfall der russischen Armee auf die Menschen in der Ukraine. Wir fordern: Keine Waffenlieferungen in die Ukraine.
Wir hören, wir lesen die Sprache des Krieges. Abnutzungskrieg. Wir haben „Im Westen nichts Neues“ gelesen und können es uns dennoch nicht vorstellen. Abnutzungskrieg. Wie riecht der – nach Verwesung, nach verfaulendem Fleisch, nach Exkrementen?
Verluste – auch so ein Wort, das oft in unsere Ohren dringt, unachtsam daher gesagt. Ihr kennt diese Worte, die bei der Berichterstattung über den Ukrainekrieg benutzt werden. Wir müssen aufpassen, diese kalten herzlosen Worte aus dem Militärsprech nicht zu übernehmen. Wir müssen aufpassen nicht abzustumpfen. Ausgeschaltet.
Verluste: Es gibt Verluste an Material auf allen Seiten des Krieges. Den Durchmesse von Artilleriemunition können vermutlich etliche inzwischen nennen – 155mm sind bei Granaten der NATO Standard. Es geht um Tausende, die an jedem Tag verschossen werden. Wir hören von hunderttausenden Granaten deren Lieferung zugesagt wurde. Ich brauche es nicht einmal zu benennen, wem das zugesagt wurde. Lieferung von Waffen, Munition, Ausspioniergeräten, elektronischen Störgeräten, Drohnen, Raketen usw. – dass heißt im Militärsprech Nachschub. Die Verluste an Material interessieren mich nur, weil ich weiß, dass damit getötet, zerfetzt, verletzt wird – auf beiden Seiten der Front. Manche Granaten enthalten giftiges Schwermetall, damit sie noch besser töten. Abgereichertes Uran etwa in Rheinmetallgranaten sollen besser töten. Auch die Landschaft wird zerstört, vergiftet für Jahrzehnte, teils Jahrhunderte..
Viel mehr als die Verluste an Material berühren mich die Verluste an Personal. Das ist Militärsprech für Menschen die getötet, verletzt, zerfetzt oder psychotraumatisiert werden – auch von Granaten, die in unserem Namen geliefert wurden, verschossen von Haubitzen, die in unserem Namen geliefert wurden.
Nachschub an Personal, auch Wehrersatz genannt, gibt es durch Rekrutierung. Immer wieder werden auf beiden Seiten neue Rekruten gezwungen, in den Krieg zu ziehen. Wehrersatz – ihr kennt das – Kreiswehrersatzamt.
Verluste, das hört sich scheinbar professionell an, wenn es in Zeitungen steht oder in Talkshows sogenannte Experten Verluste aufsummieren. Es geht dabei um Menschen, die größtenteils in den Krieg gepresst wurden von Regierenden und ihrem Apparat. Von Menschen, die nicht im Schützengraben kauern, sondern am Schreibtisch sitzen.
Frieden gehe nicht ohne Freiheit, sagte Scholz. Die Ukraine hält ihre Wehrpflichtigen von 18 bis 60 gefangen, hat einen Zaun Richtung Westen aufgebaut, wie derzeit die DDR. Verluste, dass sind die getöteten Soldat*innen. Wir wissen nicht genau wie viele es sind. Im Krieg gibt es keine Freiheit.
Beide Seiten zusammengezählt werden 200.000 getötete Soldat*innen geschätzt. Der Spiegel schätzte im Februar 100.000. Verluste nennen die Militärplaner auch diejenigen, die zwar nicht getötet sind, aber nicht mehr eingesetzt werden können, Schwerverletzte oder Psychotraumatisiert. Dass sind, beide Seiten zusammengezählt, mindestens noch einmal 250.000 bis 300.000. Mit jedem Kriegstag, mit jeder gelieferten Granate werden es mehr.
Dann gibt es noch die getöteten Zivilist*innen, für die Militärs sind das keine Verluste. 10.675 zählt das Hochkomissariat für Menschenrechte der UN bis Ende Februar 2024. Knapp 600 davon sind Kinder. 20.080 verletzte Zivilist*innen zählte die UN. 1.311 davon Kinder.
Noch vor einigen Jahren habe ich, haben wir gesagt, 90% der getöteten in modernen Kriegen sind Zivilist*innen. Das stimmte auch für den Vietnamkrieg, die Irakkriege, die Jugoslawienkriege und jetzt in etwa auch im Gazakrieg. Im Ukrainekrieg ist es aber anders – bisher. Pro getöteten Zivilist*in gibt es 10 getötete Soldat*innen – bisher. Das ist ein Verhältnis etwa wie im ersten Weltkrieg. Der Ukrainekrieg kann noch eskaliert werden. Dann sterben mehr Zivilist*innen.
Für mich ist es egal, welchen Pass getötete haben – es sind Menschen.
Für mich ist es egal, ob die Getöteten Zivilist*innen oder Soldat*innen sind.
Auch Soldat*innen sind Menschen, sie werden von Regierenden missbraucht. Sie werden in den Krieg gepresst.
Bei allen Kriegsbeteiligten gibt es Menschen, die sich dem Gemetzel entziehen, die abhauen, sich drücken. Ihnen gehört meine Solidarität. Diese Menschen, die sich Kriegen entziehen, brauchen einen dauerhaften Aufenthalt und eine berufliche Perspektive hier in der BRD, Herr Scholz. Da können Sie Freiheit ermöglichen und Gerechtigkeit walten lassen.
Bei all dem Elend: Wir sind nicht Machtlos, wir können der Kriegsbeteiligung entgegentreten. Begehrt auf gegen die Sprache des Krieges, gegen die kalte herzlose Militärlogik.
Organisiert Euch und schluckt die Wut über Krieg nicht für Euch allein runter. Geht in Gruppen an die Öffentlichkeit gegen Kriegsverharmlosung, gegen Waffenlieferungen.
Lübeck braucht regelmäßige Aktivitäten und Treffen gegen Krieg – gegen alle Kriege. Tragt dazu bei.
Fallt bitte nicht auf die herzlose Militärsprache rein, behaltet Eure Sensibilität und lasst Euch nicht abstumpfen.
Bei Kreuzlegung auf Seecontainerplane: Großschadensfall, Verluste, Abnutzungskrieg, Verluste, Verantwortung, Verluste, Verantwortung ……..
Detlef Mielke