Anläßlich des Angriffs auf die Ukraine durch Russland fand am Samstag, 27.02.2022, in Bad Oldesloe auf der Hude eine Kundgebung statt. Mehrere Redner beschrieben ihre Sicht auf dieses unglaublichen Ereignisses. Den Anfang machte Detlef Mielke von DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsgegner) mit der folgenden Rede:
Nein zum Krieg
Entspannungspolitik ist gerade jetzt notwendig.
Wieder einmal wird Krieg in Europa geführt, ein Angriffskrieg, der Not, Elend und Tod über alle beteiligten Menschen bringt – wie jeder Krieg das tut. Krieg ist nie eine Lösung. Es gibt keinen gerechten Krieg!
Krieg ist immer ein Verbrechen an der Menschheit. Wir von der DFG-VK lehnen alle Kriege ab und fordern auf, sich allen Kriegen und Kriegsvorbereitungen entgegenzustellen.
Es sind schlechte Zeiten für Argumente von Pazifist*innen. Aber: Pazifismus hat nichts mit Appeasement zu tun. Churchill war kein Pazifist. Nach diesem Aggressionskrieg der russischen Armee ist das Geschrei nach Militär und Aufrüstung groß – und es gibt Desinformationen und Lügen auf allen Seiten.
Immer wieder höre ich in den letzten Tagen, das sei der erste Krieg seit 77 Jahren in Europa. Andere sprechen sogar von 77 Jahren Frieden in Europa. Das stimmt nicht, diese Aussage ist eine Lüge.
Als ich die Bilder von Explosionen in der Ukraine sah, hatte ich ein Déjà – vu – die Bilder hatte ich schon einmal vor langer Zeit gesehen. — Gesehen hatte ich vorher natürlich nicht die Bilder von Raketengriffen auf die Ukraine, in meinem Kopf sind Bilder von Angriffen der NATO auf Menschen in Serbien. 200.000 Tote und Millionen Vertriebene hatten die Bürgerkriege und der NATO Krieg in Jugoslawien zur Folge. 15.000 starben durch NATO-Bomben.
Damals war nicht Russland der Bösewicht, sondern die NATO und auch die Bundesregierung und die Bundeswehr. 2008 wurde Kosovo völkerrechtswidrig von der BRD als eigenständiger Staat anerkannt, heute erkennt Russland völkerrechtswidrig Donezk und Luhansk als selbständige Staaten an, zuvor war das schon völkerrechtswidrig auch bei der Krim geschehen.
Heute sagt die russische Armee natürlich, sie greife keine Menschen an, sondern militärische Einrichtungen – Präsident Putin spricht von Spezialoperationen. Damals behauptete Bundeskanzler Schröder. „Wir führen keinen Krieg“. Putin lügt. Schröder, Scharping und Fischer haben damals gelogen.
Krieg ist immer ein Verbrechen, egal ob 1974 auf Zypern, von 1991 bis 2001 auf dem Balkan, mehrmals in Tschetschenien, Bergkarabach, Georgien, Irland usw. Krieg ist nie eine Lösung.
77 Jahr Frieden in Europa – diese Erzählung ist eine bewusste Täuschung, die unsere Schuld an Kriegen nach 1945 vergessen machen soll.
Neben den Kriegen in Europa haben wir EU-Europäer Krieg auch auf andere Kontinente getragen. Die Kolonialkriege sind vielleicht schon verblasst, das Desaster in Somalia, Afghanistan und Mali dürfte vielen noch in Erinnerung sein.
Nun wird wieder einmal Krieg geführt in Europa und wir können nur mit Wut im Bauch und hilflos zusehen. Wir Bürgerinnen und Bürger haben nicht die Macht das schnell zu ändern. – Und auch die NATO hat nicht die Macht dazu, obwohl sie der russischen Armee vielfach überlegen ist.
Und dennoch bleibt als Lösung des Konfliktes nur eine Entspannungspolitik – eine Entspannungspolitik von Regierungsseite und von uns Bürger*innen. Als langfristiges Ziel bleibt nur Versöhnung.
Angesichts des Aggressionskrieges der russischen Armee mag das jetzt illusionär klingen. Die Ungeduldigen wollen handeln – Das Zauberwort Sanktionen beruhigt erst einmal die Seele. Sanktionen sind besser als Krieg mit Militär. Sie sind im Prinzip ein Wirtschaftskrieg, ein Kulturkrieg usw. – aber eben keine Entspannung der Situation – kein Frieden.
Machtpolitikerinnen und Politiker träumen oft von einem Siegfrieden. Gegner sollen niedergemetzelt oder vertrieben werden, wie etwa in Jugoslawien, sie sollen zumindest nach dem Diktat der Sieger leben müssen. Ein Siegfrieden ist aber kein Frieden, denn er bereitet den Boden für Hass, Rassismus und Nationalismus, für neue Kriege.
Entspannungspolitik durch Regierungen kann jedoch nur funktionieren, wenn gleichzeitig eine Entspannungspolitik durch die BürgerInnen organisiert wird. Es mag altbacken klingen. Städtepartnerschaft mit französischen und polnischen Städten sind wichtig, es braucht aber auch Partnerschaften, Jugendaustausch und Begegnungen mit Menschen aus russischen Städten, gerade jetzt. Es braucht auch Kontakte mit den Menschen, die in anderen Ländern z.B. in Russland und der Ukraine gegen Krieg und für Frieden eintreten, die sich in diesen Ländern dem Töten verweigern – und dafür drangsaliert werden.
Krieg und Militär sind der falsche Weg.
Die Forderungen nach mehr Waffen und Verlegung von noch mehr Truppen nach Osten sind bereits zu hören. Die Rüstungsindustrie bekommt Euro- und Dollarzeichen in den strahlenden Augen.
Das ist der falsche Weg. Militärische Eskalation führt zu einer stärkeren Kriegsgefahr, einer höheren Kriegswahrscheinlichkeit. Rüstungsproduktion bewirkt eine weitere Drehung der Aufrüstungsspirale, Rüstungsexporte führen zu mehr Krieg.
Wir wurden als naiv bezeichnet, als wir gegen den Afghanistankrieg auf die Straße gingen – es ist nicht schön Recht gehabt zu haben mit unseren Warnungen – die NATO hat den Krieg in Afghanistan verloren. Krieg ist nie eine Lösung.
Unser Pazifismus hat jedoch nichts mit Appeasement zu tun – Churchill war kein Pazifist. Unser Pazifismus ist konsequent gegen jeden Krieg. Wenn ich in den Nachrichten höre, dass die Männer im wehrfähigen Alter vor dem Grenzübertritt aus Autos und Zügen herausgeholt werden, denke ich: Wir brauchen wieder Fluchthelfer, wie damals im Jugoslawienkrieg als PazifistInnen aus München Deserteure aus Jugoslawien in die BRD geschleust haben. Wir brauchen Schleuser aus Russland und aus der Ukraine.
Wenn ich Bilder aus der Ukraine sehe denke ich, wir brauchen ein Training in sozialer Verteidigung.
Wir werden sicher auch jetzt als naiv hingestellt, von Menschen die von einem Sieg träumen.
Ich behaupte, wir sind Realisten, wenn wir fordern: Die Waffen nieder – Verhandeln statt schießen – abrüsten statt aufrüsten.
Detlef Mielke
Anschließend folgte der Redebeitrag von Andreas Guhr, Vorsitzender des Sozialverbandes Stormarn und stellvertretender Vorsitzender des DGB Stormarn:
Wir erleben gerade die dunkelste Zeit, seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Meine Generation kennt diese nur aus Erzählungen und Geschichtsbüchern.
Wer hätte dies je gedacht oder vermutet.
In Europa herrscht Krieg, erneut Krieg.
Der Kreisverband des SoVD und der Kreisverband des DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften verurteilen den Einmarsch Russlands in die Ukraine und seine dortigen Raketenangriffe auf das Schärfste.
Ob in der Ukraine oder in Russland – es sind vor allem die Menschen, die unter dem Krieg und seinen Folgen zu leiden haben.
Wir stehen hinter den Menschen in der Ukraine und in Russland, die diesen Krieg nicht wollen.
Ihnen droht durch den brutalen Völkerrechtsbruch des russischen Staatspräsidenten unendliches Leid.
Putins Invasion ist nicht nur ein Angriff auf die Ukraine. Sie ist ein Angriff auf die Freiheit. Ein Angriff auf die Demokratie. Ein Angriff auf die Wahrheit.
Russland provoziert mit der Eröffnung dieses Angriffskrieges sehenden Auges weitere Eskalationen militärischer Gewalt, die jederzeit völlig außer Kontrolle geraten können. Europa und die internationale Friedensordnung stehen am Rande eines Abgrunds.
- Wir fordern die russische Regierung auf, unverzüglich alle Angriffe einzustellen, sich aus der Ukraine zurückzuziehen und deren territoriale und politische Integrität wieder herzustellen.
- Wir rufen die Europäische Union und all ihre Mitgliedstaaten dazu auf, sich solidarisch an die Seite der Menschen in der Ukraine zu stellen und ihnen alle humanitäre und wirtschaftliche Hilfe zukommen zu lassen, die sie benötigen.
- Wir mahnen die Allianzpartner der NATO und die Europäische Union zur Besonnenheit. Die Gefahr, dass sich der bewaffnete Konflikt zu einem Flächenbrand entwickelt, muss unbedingt gebannt werden
Es geht darum, in dieser äußerst diffizilen Lage Gesprächsmöglichkeiten zu erschließen, um eine friedliche Konfliktbeilegung zu ermöglichen.
Die russische Föderation muss dazu gebracht werden, an den Verhandlungstisch zurückzukehren – auch wenn dafür scharfe wirtschaftliche Sanktionen, wie die Abkopplung vom internationalen Zahlungsverkehr, erforderlich sind.
Europa und Deutschland müssen die Frage „Was ist uns unser Frieden wert?“, glaubhaft beantworten.
Deeskalation ist das Gebot der Stunde!
Alle Beteiligten müssen die glaubwürdige Bereitschaft zeigen, zu einer Politik des Dialogs zurückzufinden! Dies gilt auch für den russischen Präsidenten.
Für Entspannungspolitik ist es nie zu spät. Wir fordern unsere Bundesregierung, die Europäische Union und die NATO auf, eine zentrale Vermittlungsrolle einzunehmen. Wir fordern Sie eindringlich auf, als Einheit zu reagieren und Putins Regime in Moskau und seinen Verbündeten, Fans und Unterstützer ihre Verantwortung klarzumachen.
Vor vierzig Jahren, mitten im Kalten Krieg, wurde der sogenannte „Palme-Bericht“ veröffentlicht. Er zielte darauf ab, durch das entspannungspolitische Konzept der gemeinsamen Sicherheit zur Überwindung des Ost-West-Konflikts beizutragen. In dem Bericht wurde dieses Anliegen knapp und bündig auf den Punkt gebracht:
„Der Frieden in der Welt muss sich auf ein Engagement für das gemeinsame Überleben statt auf die Drohung durch gegenseitige Auslöschung gründen.“
Diese Kernbotschaft hat nichts an Relevanz verloren – im Gegenteil. Angesichts der drohenden Ausweitung des bewaffneten Konflikts in der Ukraine ist die internationale Staatengemeinschaft in der Verantwortung, sich zu besinnen.
Niemand ist wirklich sicher, bevor nicht alle sicher sind.
Militärische Machtdemonstrationen und die gegenseitige Androhung und Anwendung bewaffneter Gewalt münden in Tod und Elend.
Krieg ist keine Lösung!