Rede von Detlef Mielke (DFG-VK Bad Oldesloe)
Wir verurteilen den Überfall der russischen Armee auf die Menschen in der Ukraine. Diese Zeile hätte ich gern als erste auf dem Ostermarschaufruf für Lübeck gesehen. Im Text gibt es sie. – Es gibt keine Rechtfertigung für einen Krieg.
Schlechte Zeiten sind das für mich als Pazifisten. Das Trommelfeuer an Bildern und Berichten aus dem Ukrainekrieg hat unsere Gesellschaft kriegsbereit geschossen. Ehemalige Verbündete, ehemalige politische Weggefährten wechseln bei diesem Krieg die Seiten, sie werden zu Kriegsbefürworter*innen. Sie verlangen Waffenexporte in die Ukraine – Damit werden sie zu meinen politischen Gegnern.
Erst wurden Schutzausrüstungen geliefert, dann vorgeblich defensive Waffen, jetzt geht es um Panzerhaubitzen, Flugzeuge, Antischiffsraketen, Schützenpanzer, hochfliegende Luftabwehrraketen – keine Ahnung was noch kommt. Wir sind gegen jeden Waffenexport, auch in die Ukraine. Genauso wie ich gegen Waffenexporte etwa an die Huthi im Jemen bin damit sie sich gegen die Angriffe der Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi Arabiens wehren können. Ich bin genauso gegen Waffenlieferungen an die YPG damit sie sich gegen die ständigen Angriffe der türkischen Armee oder des IS wehren können. Mit diesem NEIN zu Rüstungsexporten mache ich mir jeweils andere zu Gegner*innen, die mich wahlweise für naiv oder herzlos oder hochmütig oder unsolidarisch oder sonst was halten. Die neuen Kriegsbefürworter findet man in der SPD, bei den Grünen, den Linken, in Gewerkschaften und Kirchen. Ich gebe sie nicht auf – ich rede mit ihnen, wie mit CDU-Aktiven. Gespräche müssen geführt werden zwischen Menschen, zwischen Staaten. Ich bleibe dabei: Keine Waffenexporte und erst recht nicht an Kriegsparteien. Waffen führen zu mehr Krieg, nicht zu weniger. Kriege werden nicht durch Waffen beendet, sondern durch Verhandlungen.
Die Gräueltaten der russischen Soldateska sind schwer auszuhalten. Glauben Sie aber nicht, dass es keine Kriegsverbrechen der ukrainischen Soldateska gibt. Es gibt keinen sauberen Krieg mit chirurgischen Schlägen bei denen niemand stirbt. Es gibt kein edles Kriegshandwerk nach Haager Landkriegsordnung und Genfer Konvention. Krieg ist immer hinterlistig, verlogen, brutal – ein Gemetzel, ein Menschenschlachthaus. (Wilhelm Lamszus).
In Kriegen entmenschlichen Soldaten und Soldatinnen ihre Gegner. Von den ukrainischen Soldaten werden die russischen z.B. Orks genannt. Dann lassen sie sich besser umbringen. Keine Ahnung wie die russischen Soldaten die ukrainischen nennen, habe keine Interviews mit russischen Soldaten gehört.
In einem asymmetrischen Krieg, wie dem in der Ukraine, verwischen die Unterscheidung zwischen Zivilist*innen und Soldat*innen. Sie alle haben die Bilder vom Abfüllen der Molotowcocktails durch Zivilisten gesehen. Soldate*innen und Zivilist*innen sind Menschen. Das töten von Menschen ist unmoralisch, ob mit oder ohne Uniform.
Einige sagen NEIN, viel zu wenige verweigern sich dem Töten, wollen ihre Mitmenschen nicht umbringen. Sie sind Mensch geblieben in einer unmenschlichen Situation. Entziehen sich, hauen ab, verweigern sich, desertieren. Mit diesen Kriegsverweigerern fühle ich mich solidarisch, nicht mit einem Staat. Ich fühle mich solidarisch mit denen die aus der russischen Armee, aus der ukrainischen Armee und diversen Kampfgruppen desertieren.
Meine Gegner sind die Schergen, die Menschen in den Krieg pressen in der Ukraine wie in Russland. 2200 Männer zwischen 18 und 60 wurden beim versuchten Grenzübertritt aus der Ukraine gefangen, meldete die ukrainische Regierung. Meine Gegner sind auch die Schergen bei uns in der BRD, die Menschen abschieben in den Krieg – in die Ukraine noch vor einigen Wochen, nach Eritrea, Afghanistan oder Syrien.
Alle, die sich dem Krieg verweigern, brauchen unsere Unterstützung. Dennoch haben es zum Glück viele geschafft, sind aus Belarus abgehauen bevor die Grenzen dicht waren, aus der Ukraine, aus Russland. In Belarus gibt es kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung, in Russland und der Ukraine nur ein marginales für einige Religionsgemeinschaften. Soldaten können nicht verweigern. Alle drei Staaten verletzen das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung.
Kriegsparteien wollen immer nur, dass die Gegner desertieren oder überlaufen, die eigenen Verweigerer werden als Verräter angesehen und verfolgt. Wir werden angegriffen von beiden Seiten, wenn wir sagen, dass sowohl russische als auch ukrainische Soldaten desertieren sollen, wenn wir MigrantInnen aus beiden Seiten auffordern, helft Euren Angehörigen sich dem Krieg zu entziehen. – Wir sagen es dennoch immer wieder: Verdrückt Euch, desertiert.
Ich sage es noch einmal, damit wir nicht missverstanden werden. Wir verurteilen den Überfall der russischen Soldaten auf die Menschen in der Ukraine – aber wir lassen uns nicht zur Kriegspartei machen, wir sind gegen jeden Krieg, gegen jede Armee. Krieg ist nie eine Lösung.
Den Bundeswehrsoldat*innen sagen wir: Entzieht Euch, seht zu, dass Ihr aus diesem Laden rauskommt.
Den Reservisten sagen wir: verweigert den Kriegsdienst– sagt NEIN. – Wir unterstützen Euch dabei.