Möglichkeiten der Kriegsdienstverweigerung

 

 

 

 

Die Kriegsdienstverweigerung nach Artikel 4 Absatz 3 des Grundgesetzes

 

Deutsche Friedensgesellschaft –

Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen

Wie wird man als Kriegsdienstverweigerer anerkannt?

Das Verfahren der Kriegsdienstverweigerung ist

  • einfach, denn jeder, der es will, wird als Kriegsdienstverweigerer anerkannt,
  • bürokratisch, aber jeder, der die rechtlichen Vorschriften des Verfahrens beachtet, muß auch anerkannt werden,
  • sicher, denn der Kriegsdienst mit der Waffe kann jederzeit verweigert werden, auch von Soldaten und Reservisten.

Die bürokratischen Vorschriften

Was ist für das Anerkennungsverfahren notwendig?

  • ein schriftlicher, formloser Antrag (das bedeutet, es gibt kein amtliches Formular dafür),
  • ein tabellarischer Lebenslauf ,
  • und eine Begründung des Antrages.

Diese Unterlagen schickt man an das zuständige Kreiswehreratzamt, am besten per Einschreiben. Sie müssen nicht zusammen verschickt werden: Um das Verfahren in Gang zu bringen, reicht es, den Antrag abzusenden. Der Rest kann nachgereicht werden. Aber dann ist darauf zu achten, daß schriftlichen Aufforderungen des Kreiswehrersatzamtes oder des Bundesamtes für den Zivildienst fristgemäß Folge geleistet wird. Wenn die genannten Fristen nicht eingehalten werden, wird der Antrag abgelehnt. Es ist unmöglich, das Gewissen eines Kriegsdienstverweigerers zu prüfen. Die Bürokratie mißt das „Gewissen“ eines Kriegsdienstverweigerers aber daran, wie ernsthaft er das Anerkennungsverfahren betreibt. Wenn Fristen nicht beachtet und vergessen werden, wird die Ernsthaftigkeit des Anliegens bezweifelt und unterstellt, es können keine „schwerwiegenden Gewissensgründe“ vorliegen.

Der Antrag

Um als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden, muß ein Antrag beim zuständigen Kreiswehrersatzamt gestellt werden:

„Hiermit beantrage ich die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer nach Artikel 4 Absatz 3 Grundgesetz:“

Datum,   Unterschrift

Der Antrag bezieht sich auf das Grundrecht des Artikel 4, Absatz 3 des Grundgesetzes: „Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.“

Im Lebenslauf sollten außer den Daten des Ausbildungsganges auch die Ereignisse aufgeführt werden, die mit der Kriegsdienstverweigerung im Zusammenhang stehen, insbesondere die sogenannten Schlüsselerlebnisse, die Anstoß zur Verweigerung gaben.

Die Bürokratie verlangt es, daß dieser Antrag begründet wird. Es ist notwendig, daß in der Begründung die persönlichen Gewissensgründe, die den Waffendienst bei der Bundeswehr unmöglich machen, ausführlich dargestellt werden. Die Begründung des Antrages wird in der Ichform geschrieben und es werden die Einflüsse in der persönlichen Entwicklungsgeschichte dargestellt, die es unmöglich machen, sich zum Töten von Menschen ausbilden zu lassen.

Jeder dieser persönlichen Einflüsse, aus denen sich persönliche Gründe ergeben, warum das Töten von Menschen gegen das Gewissen verstößt, ist ausführlich darzustellen. Ausführlich bedeutet, daß bei jedem genannten Beispiel darauf eingegangen werden muß, wie sich ein bestimmter Einfluß auf die Entwicklung des Gewissens ausgewirkt hat, das es einem verbietet, als Soldat das Töten von Menschen zu erlernen und durchzuführen. Wird z.B. in der Begründung geschrieben, daß man den Tod eines nahen Angehörigen erlebt hat und dadurch den Wert des Lebens erfahren hat, so muß der Bezug hergestellt werden, daß man als Soldat das systematische Töten von Menschen erlernt und im Kriegseinsatz von einem Soldaten verlangt wird, Menschen zu töten. Wer sich zum Soldaten ausbilden läßt und sich für Kriegseinsätze zur Verfügung stellt, ist deshalb auch vor seinem Gewissen dafür persönlich verantwortlich, wenn er einen Menschen auf Befehl vorsätzlich und absichtlich seines Lebens beraubt und dadurch auch noch den Angehörigen dieses Menschen Verlust und Schmerz zugefügt hat. Das Gewissen eines Kriegsdienstverweigerers verbietet das vorsätzliche und absichtliche Töten auf Befehl, weil er das Leben eines Menschen wertschätzt und sich deshalb für das Töten von Menschen auch persönlich verantwortlich fühlen würde. Als Kriegsdienstverweigerer kann er diese persönliche Verantwortung nicht auf seine vorgesetzten Befehlserteiler abwälzen.

Es geht also darum, die Auseinandersetzung mit der Ausbildung zum Soldaten und seiner Tätigkeit im Kriegseinsatz und was diese Ausbildung und Tätigkeit für das eigene Gewissen bedeutet darzustellen. Selbstverständlich muß dabei auf das Gewissen immer wieder hingewiesen werden, das einem die Ausbildung zum Soldaten verbietet. Jeder Einfluß und jeder Grund, der einem den Dienst bei der Bundeswehr unmöglich macht, ist richtig, wenn diese Auseinandersetzung dargestellt wird.

In der Darstellung seiner Gewissensgründe, sollte man sich nicht widersprechen, weil man dadurch unglaubwürdig wird und der Antrag abgelehnt werden kann.

Es gibt keine situationsbedingte Kriegsdienstverweigerung, d.h. man kann nicht in seiner Antragsbegründung den Dienst bei der Bundeswehr aus Gewissensgründen ablehnen und gleichzeitig mit anderen Armeen oder bewaffneten Verbänden sympathisieren. Für einen Kriegsdienstverweigerer ist das menschliche Leben das höchste Gut und kein Staat oder keine Ideologie ist es wert, dafür Menschen zu töten.

Es kommt vor, daß man der Bundeswehr gegenüber früher positiv eingestellt war und dies bei der Bundeswehr in den Akten vermerkt sein kann, z.. B. dadurch, daß man sich Werbematerial der Bundeswehr bestellt, sich beim Wehrdienstberater nach einer Zeitsoldatenkarriere erkundigt oder bei der Musterung im Kreiswehrersatzamt auf dem bereitliegenden Formular seine Bereitschaft zum Waffendienst bei Heer, Luftwaffe oder der Marine angekreuzt hat. Nun muß auch in der Antragsbegründung dargestellt werden, wie es dazu gekommen ist, daß sich später das Gewissen gemeldet hat, das einem jetzt die Ausbildung zum Soldaten unwiderruflich verbietet. Wird die Darstellung dieser gegenteiligen Entwicklung unterlassen, kann dies zu Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Antrages führen. Eine Gewissensentscheidung erfordert eindeutiges Handeln, insofern müssen die Zweifel, die sich aus einer gegenteiligen vorherigen Handlung, wie dem Interesse für den Dienst bei der Bundeswehr, und dem späteren Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ergeben, ausgeräumt werden.

Das gilt natürlich insbesondere, wenn Soldaten oder Reservisten nachträglich den Kriegsdienst verweigern.

Wenn eine Antragsbegründung unvollständig ist (oft werden viele Seiten geschrieben, aber das Thema „Gewissen“ oder „Bundeswehr“ kommt nicht vor), kann der Antrag nicht ohne weiteres abgelehnt werden. Das Kreiswehrersatzamt bittet dann, schriftlich eine ausführlichere Begründung nachzuliefern und setzt dafür eine Frist, die eingehalten werden muß

Wann wird der Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt?

Grundsätzlich kann der Antrag jederzeit gestellt werden.

Üblicherweise wird der Antrag auf Kriegsdienstverweigerung bei oder unmittelbar nach der Musterung gestellt. Es wird jeder anerkannt, der den Antrag vor dem Erhalt einer Vorbenachrichtigung zur Einberufung gestellt hat.

Auch Soldaten durchlaufen jetzt das schriftliche Verfahren. Sie reichen dieselben Unterlagen wie der ungediente Verweigerer beim Kreiswehrersatzamt ein.

Wie bekommt man eine Zivildienststelle?

Zum Zivildienst wir man einberufen wie zur Bundeswehr. Nach der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer weist einem das Bundesamt für den Zivildienst eine Zivildienststelle zu, die man zum genannten Zeitpunkt auch antreten muß. Wer der Einberufung zum Zivildienst nicht folgt macht sich strafbar.

Wer zeitgleich mit seinem Antragsverfahren oder rechtzeitig nach seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer sich selbst darum bemüht, eine Zivildienststelle zu finden, die dazu bereit ist, einen einberufen zu lassen, der kann sich seine Zivildienststelle selbst aussuchen und muß nicht erwarten, auf Stellen einberufen zu werden, die keiner haben will. Man sollte etwa vier Wochen nach seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer eine Zivildienststelle ausgesucht haben wenn man der Zuweisung durch das Bundesamt entgehen will. Je früher man sich also um seine Stelle kümmert, desto größer ist die Chance, daß man bekommt, was man gerne möchte. Dabei ist zu beachten, daß die Zivildienststellen erst dann zu einer Anforderung eines bestimmten Kriegsdienstverweigerers berechtigt sind, wenn dieser anerkannt ist. Dennoch sind Zivildienststellen oft zu Zusagen für eine Einstellung als Zivildienstleistender nach erfolgter Anerkennung bereit, weil auch sie ein Interesse daran haben, sich die Zivildienstleistenden auszusuchen.

Zivildienststellen gibt es in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, in Kindergärten und Jugendzentren, in Kirchengemeinden, in Einrichtungen der Behindertenbetreuung, in Tagungshäusern, in Umweltschutzeinrichtungen und gemeinnützigen Organisationen. Wenn man sich für eine Zivildienststelle interessiert, sollte man nicht nur mit dem Leiter der Einrichtung sprechen, sondern auch mit dem Zivildienstleistenden, der dort gerade seinen Dienst ableistet. Die Erfahrungen und Einschätzungen des Zivildienstleistenden können bei der Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Zivildienststelle hilfreich sein. Adressenlisten (bundesweit) gibt es gegen Porto- und Kopierkosten bei der DFG-VK-Bundesgeschäftsstelle, Schwanenstraße 16, 42551 Velbert, Tel. 02051 4217, Fax: 02051 4210, email: info@dfg-vk.de

Totalverweigerung

Durch die allgemeine Wehrpflicht werden alle tauglich gemusterten Männer zu einem Zwangsdienst verpflichtet. Wer Gewissensgründe nachweisen kann, die ihm den Dienst bei der Bundeswehr verbieten, soll als Ersatz dafür den Zivildienst als Zwangsdienst ableisten.

Totalverweigerer sind Kriegsdienstverweigerer, die auch den Zivildienst als Ersatz für den Kriegsdienst ablehnen. Da auch Zivildienstleistende der allgemeinen Wehrpflicht unterliegen, werden auch sie im Krisen- oder Kriegsfall kriegsunterstützende Aufgaben z.B. im Zivilschutz übernehmen. In modernen Kriegen benötigt man für die Versorgung der Soldaten und die Ruhigstellung der Bevölkerung auch ziviles Personal. Totalverweigerer verstoßen bewußt und offen gegen Wehrpflichtgesetze und Soldatengesetze, um aufzuzeigen, daß sie diese für Unrecht halten. Sie nehmen ihre öffentlichen Gerichtsverfahren zum Anlaß, um darauf aufmerksam zu machen, daß die Wehrpflicht und die Bundeswehr der aktiven Kriegsvorbereitung dient, weil Männer und Frauen für den Krieg verplant werden.

verschiedene Formen der Totalverweigerung:

  • Man wartet ruhig seine Einberufung zur Bundeswehr ab, aber geht nicht hin. Wer drei Tage nach seiner Einberufung nicht in der Kaserne erscheint, muß damit rechnen von den Feldjägern der Bundeswehr abgeholt und hingebracht zu werden. Wer nicht zu Hause ist, kann auch nicht abgeholt werden. Man versucht nun, während der Verjährungsfrist von 5 Jahren der Polizei, dem Bundesgrenzschutz und den Feldjägern zu entgehen. Wer erwischt wird, bekommt zunächst Bundeswehrarrest und ein Strafverfahren vor einem zivilen Gericht.
  • Man wartet seine Einberufung zur Bundeswehr ab und geht – gerne in Begleitung von Freundinnen und Freunden -mit einem Abschiedsfest vor dem Kasernengelände in die Kaserne. In der Kaserne verweigert man, eine Uniform anzuziehen und selbstverständlich nimmt man auch kein Gewehr in die Hand. Nachdem man mehrmals aufgefordert wurde, dem Befehl, „sich einzukleiden“ nachzukommen, hat man wegen Befehlsverweigerung gegen das Soldatengesetz verstoßen. Oft wird diese Befehlsverweigerung von der Bundeswehr bestraft, indem sie Totalverweigerer in ihre Arrestzellen in der Kaserne sperrt. Bei wiederholten Befehlsverweigerungen können das bis zu vier mal 21 Tage sein. Über die Dauer des Arrestes entscheidet das zuständige Truppendienstgericht. Bundeswehrarrest bedeutet, Einzelhaftbedingungen mit einer Stunde Spaziergang auf dem Kasernengelände in Begleitung eines Soldaten. Totalverweigerer erregen in der Kaserne Aufmerksamkeit und sind in der Regel Gesprächsstoff unter den Soldaten. Sie zwingen die Soldaten zur Auseinandersetzung mit ihrer Ausbildung zum Töten und dem Zwangssystem von Befehl und Gehorsam, dem sie sich täglich unterwerfen. Bekommt der Totalverweigerer auch noch täglich viel Post und regelmäßig Besuch von lieben Menschen, die seine Gesinnung teilen und ihn unterstützen, dann kann das seinen Bekanntheitsgrad in der Kaserne noch erhöhen. Unabhängig von der Arreststrafe in der Kaserne droht dem Totalverweigerer noch eine Strafanzeige durch die Bundeswehr wegen Verstoßes gegen das Soldatengesetz durch mehrmalige Befehlsverweigerung.
  • Man läßt sich als Kriegsdienstverweigerer nach Art. 4 Absatz 3 Grundgesetz anerkennen und tritt seinen Zivildienst nicht an, oder bricht ihn vorzeitig ab. Dann folgt eine Strafanzeige des Bundesamtes für den Zivildienst wegen sogenannter Dienstflucht. Disziplinararrest für anerkannte Kriegsdienstverweigerer gibt es nicht.

Welche Strafe kann ein Totalverweigerer erwarten?

Das ist nicht eindeutig zu beantworten. Für Fahnenflucht, Dienstflucht sind Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren möglich Das Strafmaß für Totalverweigerer fällt in der Regel wesentlich geringer aus, insbesondere, wenn sie anerkannte Kriegsdienstverweigerer sind,. Bewährungsstrafen von etwa drei Monaten sind in den letzten Jahren statistischer Durchschnitt und Kriegsdienstverweigerer, die unter das Jugendstrafrecht fallen, kommen oft mit einigen Tagen sozialer Arbeit davon. Es gibt auch Freisprüche. Die geringeren Strafen für „dienstflüchtige“ Zivildienstleistende sind wohl darauf zurückzuführen, daß diese Totalverweigerer sich schon der staatlichen Gewissensprüfung unterzogen haben und es ja wenigstens beabsichtigt oder versucht haben, den Zivildienst abzuleisten. Natürlich hängt das Strafmaß auch davon ab, wie man seine Gewissensgründe vor Gericht überzeugend darstellen und das Gericht davon überzeugen kann, daß man zwar gegen geschriebenes Recht verstoßen hat, in der Absicht es als Unrecht anzuprangern.

Jede Totalverweigerung sollte gründlich vorbereitet werden, indem man sich rechtzeitig Unterstützung von Freunden und Gleichgesinnten sucht. Außerdem sollte man sich auch inhaltlich auf eine eventuelle Gerichtsverhandlung vorbereiten. Im Internet kann man Kontakt zu anderen Totalverweigerern aufnehmen. Informationen und Unterstützung für Totalverweigerer können auch über die im Faltblatt genannten Adressen erfragt werden.

Wehrpflichtvermeidung

Es ist aber auch möglich, sich ganz legal diesem Zwangssystem zu entziehen und seine Zeit sinnvoller als mit einem staatlich verordneten Zwangsdienst zu verbringen, ohne dabei offensichtlich gegen die Wehrpflichtgesetze zu verstoßen. Wer nicht darauf warten will, bis die Wehrpflicht endlich durch die Politik abgeschafft wird, kann das bürokratische System im Sinne der Wehrpflichtvermeidung nützen. Wie das geht steht in der Broschüre: „Wie vermeide ich die Wehrpflicht“. Sie kann bestellt werden bei:

DFG-VK Flensburg, PF 1426, 24904 Flensburg

und ist im Internet kostenlos zum downloaden unter:

http://www.wehrpflichtvermeiden.de

Weitere Informationen zur Kriegsdienstverweigerung:

http://www.verweigert.de

Informationen zur Kampagne „Bundeswehr abschaffen“ http://www.bundeswehrabschaffen.de

 

Anfragen zur Kriegsdienstverweigerung an:

kdvberatung@bundeswehrabschaffen.de

DFG-VK Bad Oldesloe: jeden Dienstag um 19.00 Uhr im Weltladen in der Lübecker Str. 21 in Bad Oldesloe

DFG-VK Flensburg: jeden 1. Montag im Monat, 18.00 Uhr im Jugendkulturhaus Exe, Zur Exe 25, 24937 Flensburg

DFG-VK Kiel: dienstags und donnerstags um 17.00 Uhr in der Friedenswerkstatt Kiel, Exerzierplatz 19, 24103 Kiel

Impressum:           Jugendclub COURAGE in der DFG-VK

Postfach 1426, 24904 Flensburg

verantwortlich: Siglinde Neher